Die Zukunft sind die Kinder. Das wusste auch Santan.
Deshalb hatte er sich wie jedes Jahr den Platz des Weihnachtsmannes in der Show ‚Geschenke des Himmels‘ gesichert. Die Show war etwas ganz Besonderes, denn sie wurde live und mit unterschiedlichsten Dolmetschern in alle Länder der Welt ausgestrahlt.
Milliarden von Kindern sahen zu.
Somit erreichte er mehr Kinder als Michael Jackson.
Sein ursprünglicher Plan für dieses Jahr war es gewesen, hier und jetzt der Welt den Tod des viertgrößten Bastard-Schweins zu verkünden. Doch dieses Mal war es anders – er hatte eine Erkenntnis erlangt – die ihn dazu bewegte, darüber gar kein Wort zu verlieren, und auch erstmal überhaupt nicht mehr zu morden: Er hatte erkannt, dass seine Taten die Welt nicht verändern. Und somit auch nicht der Tod des vierten Bastard-Schweins.
Und deshalb hatte er eine ultimative Botschaft an die Kinder dieser Welt.
Santan saß auf einem pompösen Weihnachtssessel, Dutzende Kameras um ihn herum, auf der Bühne vor ihm ein großes Publikum, alles Eltern mit ihren Kindern.
Ein Junge sprang auf, rannte auf ihn zu.
„Was willst du?“, fragte Santan.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
„Na klar. Aber du musst still sitzen bleiben und kein Wort sagen. Versprochen?“
„Versprochen!“
Santan hievte den Jungen auf seinen Schoß.
Im Studio schwiegen alle.
„Ich bin Santan. Und ich sitze heute vermutlich das letzte Mal vor euch. Denn ich habe eine frohe Botschaft zu verkünden. Wie ihr wisst, kümmere ich mich jedes Jahr um die Unartigsten. Doch nun habe ich eines erkannt“, sagte er, zeigte mit dem Finger ins Publikum, „die Unartigsten seid ihr selbst.“
Ein Raunen ging durch das Publikum.
Er warf seine gusseiserne Pfanne von sich, die über den Boden donnerte, und fuhr fort:
„Ich würde gerne über euch alle richten. Aber ich rede nicht von den Kindern. Sondern von euch, den Erwachsenen. Doch nicht ich werde es tun, sondern die Kinder selbst. Eure Kinder. So werde ich mein Vermächtnis den Kindern übergeben, und so wird mein Vermächtnis weiterleben. Die Kinder werden die Arbeit verrichten, wenn sie nötig ist. Und zwar dann, wenn ihr bestraft werden müsst. Und dabei gebe ich den Kindern nur eines auf den weg.“
„Was denn?“, wollte der kleine Junge wissen.
„Wenn ihr merkt, dass eure Eltern böses tun, dürft ihr sie bestrafen. Vielleicht macht ihr das nicht sofort, nicht jetzt, wenn ihr noch klein und hilflos seid. Sondern später, wenn ihr erwachsen seid.“
„Wie merke ich, dass meine Eltern böse sind?“
„Das wirst du selbst merken, von ganz alleine. Wenn es so weit ist, weißt du es.“
„Wieso machen Sie das?“, rief ein Mann aus dem Publikum, „wieso sagen Sie unseren Kindern, dass sie uns den Schädel einschlagen dürfen?“
„Wenn eure Kinder euch bestrafen, dann nicht ohne Grund. Und dann dürfen sie selbst entscheiden, wie sie euch bestrafen. Es ist ganz einfach. Ich überlasse es den Kindern. Ich überlasse es der Zukunft. Ihr seit gewarnt. Benimmt euch. Besonders gegenüber euren Kindern. Denn sonst seid euch gewiss: Die Abrechnung wird kommen.“